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„Warum Racalmuto?”, war ich gefragt worden, als wir den Gourmand-Trip nach Sizilien publizierten. In der Antwort dachte ich noch „weil mein Vater daher kommt“, also ohne weiteren Hintergrund. Seid letzter Woche weiß ich jedoch, dass „Mitten im Nirgendwo“ geniös war, denn vom Tourismus ausgelaugte Orte eignen sich schlichtweg nicht. „Schlau ist, wer nicht nachdenken muss“, stammt glaube ich von Einstein, andere nennen’s Intuition, ich Zufall. Letzten Endes egal, aber als ich letzte Woche vor Ort daran ging, den Gourmand-Trip Barcelona fürs nächste Jahr vorzubereiten, wurde klar: Bloß nicht in eine Metropole, zumindest nicht so.
Dabei war der Grundgedanke logisch: Wenn schon Plancha-Trip, dann doch dahin, wo sie herkommt. Frisches gibt’s von Land und See, Flughäfen zu Hauf, Nicht-Catalan versteht auch jeder in diesem hippen, internationalen Milieu. Sollte ein Leichtes sein, dort eine Geschäftsidee umzusetzen. Die spanischen Kollegen hatten also die Tour vorbereitet, und wo ging’s auch anderes hin, als gleich morgens zur Boqueria, Mitten auf Barcelonas Haupt-Rambla. Sicher, ein teurer Spaß, dort die Lebensmittel fürs nachfolgende Video- / Fotoshooting kaufen zu wollen, aber zeitsparend war zumindest das eine mit dem anderen kombiniert (Pulpo a la plancha, Rezept gibt’s nächstes Frühjahr auf Youtube).
Ich derweil rein ins Gemüse, die Karotten sahen am Bund soweit gut aus, schnappe mir mein Opfer und frage parallel nach dem Preis. „1,90“, so die Dame, die Fotografin knipst fürs Werbematerial, Verkäuferin reißt mir die Karotten aus der Hand und schon werde ich mit einem Schwall wütender Worte überschüttet, während sie aufs Schild zeigt „WARE NICHT BERÜHREN“ (…auf Spanisch). Jaja, verstehe ich schon, entschuldige mich, und greife nach der Geldbörse. Weit gefehlt, der Schwall riss nicht ab, das Zerren um die Karotten begann, es wurde weiter gefuchtelt und erklärt, doch ohne Erfolg: Die Karotten bekam ich nicht. Sicher, mein Spanisch ist nicht einwandfrei, aber so schlecht ist es auch nicht, dass die Obst- und Gemüseverkäuferin nicht verstehen könnte, dass ich die von ihr feil gebotene Ware käuflich erwerben möchte. „…nicht nur hier zum Fotografieren, mit der ganzen Schminke, ich bin doch nicht blöd, ich will verkaufen….“, die Dame war total aufgelöst. „Sì, Ja, Da, Hmhm“, ich versuchte alles, aber die Karotten, die gab sie nicht mehr her. Ach, dann behalt die blöden Karotten doch, so schön sind sie auch wieder nicht, denke ich, formuliere etwas höflicher und laufe weiter, während sie mich vermutlich mit Haarausfall- und Unfruchtbarkeitswünschen verfluchte.
Am Fischstand ging’s ‘ähnlich weiter, Fisch durfte ich kaufen, fotografieren durfte man nur die Ware, auf keinen Fall das filettierende Fischweib, dabei war sie gar nicht hässlich. Schwer die Moral da hoch zu halten und für die Kamera zu lächeln, denn es ging direkt weiter so: Chris wollte ein gutes Stück Rinderhüfte kaufen und am Stand vakuumieren lassen, brauchte zum sofortigen Marinieren jedoch etwas Öl. Plastikbecher besorgt, hin zum Frittenstand (Patatas Bravas), der Kerl gab widerwillig 2mm Öl, aber ein bisschen mehr sollte es doch sein: „Soviel gibt’s umsonst, mehr kostet“, okay, wie viel können 5mm Öl schon kosten? „2 Euro“. Gut, man zahlt, geht zum Metzger, der mit wenig, aber guter Ware einsam am Stand stand. Geduldigst trimmte Antonio wie von uns gewünscht, ließ Chris hinter die Tresen, höchst zufriedene Kunden, die aus Anerkennung gleich noch fürs Mittagessen Steaks für die ganze Crew kauften. So soll’s doch sein.
Bei unseren Gourmand-Trips will ich ja lokale Lebensmittel mit schönen Orten kombinieren. Demnach ging’s weiter zum Renaissance-Hotel, sooooo tolle Terasse, 26. Stockwerk, Sagrada Familie im Hintergrund rechts.
Hier ließe es sich gut Plancha-Grillen! Nebensaison, tote Frühnachmittagszeit, Gäste wohnen im Hotel, Getränke kaufen an der Bar, Geschäftsführer wird eingeladen, so ließe sich das doch in eine Win-Win-Situation verwandeln. Aber nein, ich sage euch, diese Terassenmiete ließe sich beim spendabelsten Kunden nicht umlegen, geschweige der einer Stierkampfarena! Abends landeten wir dazu voll im Berufsverkehr: 1,5 Stunden weg für eine 15-Minuten-Strecke.
Auf der Suche nach Alternativen rauf auf die Fabrikterasse. Fast dieselbe Aussicht, denkt ihr nicht?
So wird das nichts. Abends im catalanischen Freundeskreis entsprechend diskutiert und ich glaube, da fiel dann der Groschen: Wir wollen Besonderes bieten, nichts Abgeklatschtes oder Horrendes. Fokus ist und bleibt der Plancha-Kurs, etwas Drumrum ist das Plus. Gäste sollen nicht durch hohe Zimmer- oder Flugpreise abgestoßen werden, und die Tage sollen geprägt sein von schönen Erfahrungen, möglichst ohne Frustration. Ich will vermischen, Land und Leute, doch weder noch darf auf dem anderen Rumtrampeln. Da lob ich mir mein sizilianisches Dorf, das man auf der Karte suchen muss, denn abgesehen von der Anfahrtszeit, die sich als Rundfahrt deklarieren lässt, ist mit keinem Stau zu rechnen. Die Einwohner sind bemüht, freuen sich übers Einbeziehen und ein paar Groschen Mehr-Geschäft. Als „Underdog“ möchte man sich in Szene setzen; die Gelegenheit nutzen zu zeigen, was man in harter Arbeit erschaffen hat und welche Schätze sich dort verbergen. Nehmen wir Metzger Fabio, der unseren Gourmand-Trip-Gästen am Donnerstag zeigen will, woraus sizilianische Bratwurst besteht und wie er Pferdefleisch zerlegt. Fabio fragte, wieviel er zahlen müsse, damit wir kämen – wie bescheiden ist das! Aber nein, nein, Nehmen und Ausnutzen ist nicht das Bestreben: Teilen, voneinander lernen, Gemeinsamkeit, alle Seiten sollen eine schöne Zeit haben und keinen bitteren Nachgeschmack. So erwarten wir am Mittwoch einige Gäste mehr aus der Cantina-Kooperative, am Donnerstag den Burgherrn, der bestimmt sein Burgfräulein mitbringt, auf die paar Tomaten mehr kommt’s uns nicht an – auf gute Stimmung hingegen schon.
Summa summarum: Barcelona muss ich mit dem Hintergrund neu angehen. Vom Tourismus geplagte Hot-Spots sind zu meiden, denn zu verstehen ist schon, dass bei xxxx Besuchern täglich es keiner mehr lustig findet, dass seine Ware begrabscht und der Fisch fürs Foto geküsst wird, wobei am Ende keiner kauft. Wir Touristen müssen uns da schon bei uns selbst bedanken, denn wer nur auf den eigenen Vorteil aus ist, an dem rächt sich die Gesellschaft gewiss. Und so verlieren schöne Orte Ihren Reiz, leider. Die gute Seite: Es wird Platz für solche, die noch nicht oder zumindest nicht total vom Tourismus verdorben sind.
Und während ich hier in Sizilien schreibe und unsere Gäste erwarte, hier die Moral von dieser G’schicht: Schön, wenn wir aus dem Urlaubsboom unserer Eltern gelernt haben und es in dieser Generation besser machen können. Teilen heißt das Zauberwort und dafür steht Plancha doch längst, in Frankreich redet man dort von Convivialité – Geselligkeit bzw. Gemeinsames Genießen!
Feuerplatten sind super: In der Mitte fackelt's und Drumrum brutzelt das Essen. Aber Feuerplatten sind keine Planchas, was leicht gegenüber gestellt ist.Weiterlesen →
Nach dem 1. Plancha-Wettbewerb an der dt. Grillmeisterschaft direkt zu den Vorbereitungen zur erstmaligen Teilnahme am WBQA-Event jetzt im Oktober, …Weiterlesen →